Nach einem späten Frühstück und letzten Aufräumereien lege ich um 13.00 h bei herrlichem Sonnenschein unter Segeln aus Swinemünde ab – und laufe vor der neuen Außenmole der Marina direkt auf einen Stein. Wie kann man nur direkt vor einer Mole, die offensichtlich einmal ein Anleger für eine noch im Bau befindliche Ferienhauskolonie werden soll, Betonklötze auf weniger als 1 m versenken!? Mit etwas Drücken und Schieben geht es unter den lachenden Blicken der polnischen Bauarbeiter aber schnell wieder weiter.
Fünf Minuten später macht sich beim ersten Drücker die „kleine Tadorna“ selbstständig.* Ich hatte sie eigentlich erst bei Erreichen der Ostsee ihrem Element übergeben wollen, folglich war sie noch nicht festgebunden und ihr Epoxy-Einfüll-Loch noch nicht verklebt – aber sie hat ihren eigenen Enten-Dickkopf und kann es offensichtlich nicht erwarten. Very well. Ich fahre ein Ente-über-Bord-Manöver, hole das gute Gewebeband raus, knote ihr Schleppseil fest und entlasse sie am Molenkopf von Swinemünde wieder in die Freiheit.
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Es ist Freitag, der 6. Juni, 13.45 h – endlich Ostsee!!!
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Bei stetigem NO 3-4 laufe ich Kurs N. Tadorna ist noch recht luvgierig. Beim Gang nach vorn fällt auf dass sich die Holepunkte nicht verstellen lassen, die neue Fock scheuert im oberen Viertel an den Jumpstagen. Ich setzte das Vorstag um und die Fock tiefer an Deck. Nach einem kurzen Haken in Richtung Osten und etwas Trimmarbeit überlasse ich „Liros“ die Pinne: Tadorna ist jetzt am Wind so einfach auf Kurs zu halten, dass man die Pinne mit einem Zeiser (Liros hat fast mein gesamtes laufendes Gut gesponsort) einfach festbändseln und das Schiff laufen lassen kann – Tadorna hält sich genau an der Windabbruchkante, verliert dadurch zwar etwas an Speed, aber ich kann mich zwischendurch immer mal wieder eine halbe Stunde schlafen legen ;-)
Kurz vor acht drehe ich vor der Mündung der Dziwna bei, mache Leinen und Fender klar und laufe dann in Dziwnów ein, berge vor dem Zollanleger die Segel, klariere ein und mache nach einem kurzen Schlenker in die recht schattig wirkende Marina Polmax im alten Fischereihafen fest.
29 sm
* Zur Erklärung: Die „kleine Tadorna“ begleitet mich schon fast mein ganzes Segler-Leben; sie ist eine Lockente wie sie sonst Jäger benutzen. Als Kinder (Gerrit und Thies, meine beiden Brüder, haben natürlich auch eine) haben wir unsere Enten immer an langen Leinen hinter Tadaima, unserem Familienschiff, hergezogen und uns gefreut, wenn sie über die Wellen sprangen und sich dabei ineinander verhedderten… Die „kleine Tadorna“ ist über die Jahre inzwischen etwas weich geworden, daher habe ich sie gestern aufgebohrt und mit Epoxy ausgegossen. Sie wird Tadorna die nächsten Monate hindurch an einer langen Schwimmleine hinterherzuckeln. Dabei erfüllt sie auch eine wichtige Sicherheitsfunktion: Ich kann mir als Einhandsegler nichts Schlimmeres vorstellen als durch welchen dummen Zufall auch immer über Bord zu gehen und erst kurz hinter meinem Schiff wieder aufzutauchen, um es in aller Seelenruhe gut getrimmt und selbstgesteuert davonsegeln zu sehen. Mit der „kleinen Tadorna“ habe ich zumindest noch eine letzte Chance, mich festhalten und – hoffentlich – wieder an Bord ziehen zu können…