Sommer 2009: Ende gut, alles gut

Tadorna und ich haben vor allem eines: ganz viel Glück. Und einen Schutzengel, der zumindest im Sommer Überstunden zu machen scheint.

Das zeigte sich schon im April 2007, auf Tadornas Jungfernfahrt, als ich bei starkem, auflandigem Südwind aus Klintholm (Mön) rauskreuzen wollte und Tadorna, knapp zwei Wochen nach Unterzeichnung des Kaufvertrags, fast in den brechenden Grundseen vor der langen Außenmole verlor. Oder als ich in meinem ersten, kurzen Tadorna-Sommer aus Kopenhagen kommend nachts beinahe Anholt überfahren hätte (ich hatte beim Koppeln die mitschiebende Strömung vergessen).

Meine Ostsee-Umrundung 2008 begann bekanntlich mit einer Strandung an der polnischen Küste; kurz hinter der russischen Grenze wären wir um ein Haar von einem Tanker überfahren worden, in Hanko brach das Jumpstag, und vor Darsser Ort ging ich zum ersten Mal in meinem Leben über Bord. Diese und andere Missgeschicke habe ich ja bereits ausführlich in „Raus ins Blaue!“ geschildert.

Dieses Jahr war ich vorsichtiger – trotzdem bin ich mit Tadorna im äußersten Norden des Bottnischen Meerbusens, kurz vor Lulea, in voller Fahrt auf einen Unterwasserfelsen gedonnert. Dass die 50 Jahre alten Kielbolzen das mitgemacht haben wundert mich bis heute. Dass „nur“ zwei Planken und ein paar Spanten gebrochen sind, Tadorna aber weitersegeln konnte, noch mehr. Und dass der Mast, obwohl das luvwärtige Oberwant riss, stehengeblieben ist… Und dann war da noch die Sache mit dem Kabelbrand an Bord, nachts, irgendwo zwischen Härnösand und Åland – alles nachzulesen in meinem diesjährigen YACHT-Artikel „Post aus Törehamn“, den ich hier einfach mal als Scan anhänge:

Post aus Törehamn, YACHT 22/2009

Ich habe auf der Rückreise von Lulea nach Berlin kaum noch Blog-Texte geschrieben, auch um niemanden zu beunruhigen. Mit einem lecken Schiff eine über 1000 Seemeilen lange Heimreise anzutreten, ohne Motor und mit weitgehend ausgefallener Elektrik, ist nicht immer spaßig. Aber bis kurz vor Gotland war eigentlich alles ok. Auf den letzten Meilen der Strecke Mariehamn – Visby machte Tadorna dann ordentlich Wasser, weswegen ich sie in Visby an den Haken genommen und provisorisch etwas kalfatert habe. „Soll ja nur für die letzten Meilen bis nach Polen halten“, dachte ich mir.

Die 44 Stunden von Visby nach Ustka an der polnischen Ostseeküste werde ich nicht so schnell vergessen: Nach drei Tagen Sturm über Gotland entschied ich mich am Abend des 25. September bei südwestlichen 5 Beaufort auszulaufen. Meinem Wetterbericht nach sollte der Wind weiter abnehmen und auf West drehen, ich wollte in Lee von Öland Schutz finden und dann über Christiansö und Bornholm Kolberg anlaufen. Stattdessen fand ich mich am nächsten Tag bei guten 6 mitten auf der freien Ostsee wieder – bei gut 2 Meter Welle hoch am Wind. Das ist im zweiten Reff zwar machbar, aber die Kräfte, die hierbei auf die Verbände wirken, sind enorm. Und wenn diese auf sind (s.o.), dann wird es nass – sehr nass.

Und irgendwann wird man unruhig. Spätestens wenn alle 30 Minuten die Bodenbretter schwimmen, die Leekoje unter Wasser steht, die elektrische Bilgepumpe nicht mehr will, der stählerne Pumpenschwengel der großen Whale Gusher bricht (!) und man bis zu den Knien im Wasser steht – wohlgemerkt IM Schiff, das weiterhin unbeirrt mit gut 5 Knoten Fahrt die Wellen abreitet –, spätestens dann fängt man an sich über die Funktionsfähigkeit seiner alten Autoflug-Rettungsinsel Gedanken zu machen und ertappt sich bei etwas nervösen Blicken in Richtung Seenotraketen.

Ich weiss nicht wie viele tausend Liter Ostsee ich zwischen dem 25. und dem 27. September mit meiner kleinen Handlenzpumpe durch mein Schiff gepumpt habe – ich weiss nur wie sich meine Oberarme angefühlt haben. Ich weiss auch nicht warum gerade dann auch noch das zweite Oberwant brechen musste – nur dass ein über die Fockwinsch durchgesetztes Dyneema-Spifall einen Mast halten kann, das weiss ich jetzt. Und ich weiss dass ich am nächsten Tag einfach keinen Bock mehr hatte, dem Hafenmeister die Funktion meiner wieder in Stand gesetzten Lenzpumpe erklärt, eine große Flasche Wodka in die Hand gedrückt und mir eine Busfahrkarte nach Berlin gekauft habe.

To make a long story short: Tadorna hat die ersten harten Herbststürme an der polnischen Ostseeküste auch ohne mich überlebt – ich verweise hier einfach mal auf den Bericht eines Dritten, Jörn Heinrich, im Segeln-Forum (wer hier registriert ist (sehr zu empfehlen!) findet dort sogar ein Bild Tadorna, aufgenommen an der vollständig überfluteten Pier von Ustka):

http://www.segeln-forum.de/thread.php?threadid=14415&sid=

Als ich Mitte Oktober zurück nach Ustka kam waren im Sturm vier (!) von acht Leinen gerissen, zwei Klüsen aus dem Deck gebrochen, Tadornas hölzerne Scheuerleiste hatte ziemlich gelitten und ein Gutteil der von der Brandung und vom Wind abgetragenen polnischen Küste verstopft jetzt als feiner Sandstaub meine Bilge. Trotzdem waren die zwei letzten Segelschläge von Ustka nach Kolberg und von dort weiter nach Stettin schon wieder ein seglerischer Hochgenuss. Wirklich. Und fürs Mastlegen und den Rückweg nach Berlin hatte ich dieses Jahr sogar prominente Crewverstärkung: Zusammen mit Uwe Röttgering habe ich Tadorna über Oder und Oder-Havel-Kanal wieder nach Berlin gebracht, von ihm eine Menge über Schleusengebräuche (Bier auf die Kante stellen!) gelernt, und auch sonst hatten wir einfache eine Menge Spaß.

Tadorna ist also wieder zu hause, im Berliner ASV an der Scharfen Lanke. Inzwischen steht sie auf ihren Böcken an Land, die Winterplane ist gespannt, der Schnee kann kommen. Irgendwie ist also noch mal alles gut gegangen…

Und wie geht es weiter?

Tadorna braucht eine Pause und wird nächstes Jahr (2010) nicht segeln. Stattdessen werde ich den Sommer nutzen, um sie in unseren dann leeren Vereinsschuppen zu schieben und dort in aller Ruhe die lange Schadens- und To Do Liste abzuarbeiten:

–    zwei gebrochene Planken: Ich werde sie wohl nicht austauschen, sondern auffräsen und ausleisten.

–    rund ein dutzend gebrochener Spanten: Ich will sie nicht schäften, sondern schienen, also ein Stück Holz daneben setzen und vernieten.

–    Außenhaut: Tadorna macht Wasser. Neu vernieten will ich nicht, das wäre zu viel Arbeit. Ich werde versuchen, die Plankenstöße von unten etwas freizulegen und mit Sika oder Panthera auszugießen – mal sehen was es bringt.

–    Kielbolzen: Die müssen wohl neu. Und hier werde ich Hilfe brauchen. Any ideas? Ich hoffe nur, dass Totholz und Wrangen in Ordnung sind.

–    Rigg: Zumindest die Oberwanten sind total kaputt, der Rest sieht nicht viel besser aus. Aber SVB hat angeboten, Tadornas komplettes stehendes Gut zu sponsorn!!! Dafür schon jetzt ganz vielen Dank, ich werde sicher gern darauf zurückkommen!

–    Deck, Aufbau, Mastfuß, Fenster: Alles undicht. Viel Arbeit.

–    Elektrik: Mein Lieblingsthema ;-/ Priorität III – ich kann auch ohne.

–    Und mit den tausend Kleinigkeiten will ich hier gar nicht erst anfangen…

Wenn alles gut geht werde ich 2011 wieder segeln können. Wohin auch immer. Sicher ist: Was auch passiert, auf www.tadorna.de werde ich darüber berichten! Bis dahin freue ich mich über Eure Kommentare, darüber, dass mein Buch „Raus ins Blaue!“ so gut ankommt (ich bekomme immer wieder total liebe Emails von Lesern!), werde ein paar Diavorträge halten und mich gedanklich schon mal auf die „Sommerarbeiten“ an Tadorna einstellen.

Bis dahin,

mit besten Grüßen von der „kleinen Brandgans“,

Bastian

 

PS: Ich werde immer wieder gefragt, ob ich über den Sommer 2009 auch ein Buch schreiben werde. Nein, werde ich nicht. Aber: Ich habe viel gefilmt dieses Jahr! Und im Herbst soll sie fertig sein, meine „Liebeserklärung an die Ostsee“…