Wenn Brüder segeln…

… kann es nass werden. Sehr nass. Insbesondere wenn der „kleine“ Bruder an Bord kommt. Da kann man nicht kneifen, nur weil draußen ein bisschen Wind weht ;-) …

Ich bin noch einen Tag länger in Ratans geblieben, unter anderem weil ich dort ein super nettes älteres Ehepaar aus Deutschland getroffen habe; wir haben gemeinsam Ratanskär erkundet, gekocht, Kanasta gespielt und die letzten Bierreserven aus dem Kühlschrank (!) ihres Campers geplündert… Dafür musste ich mich am Dienstag dann bei Süd 7 und verrückten Kreuzseen gegenan in Richtung Umea Flughafen kämpfen. Echte Brecher. Mein Vorhaben, Tadornas Cockpit selbstlenzend zu machen steht: Wenn so eine 3-Meter-Welle bricht muss man fast eine halbe Stunde pumpen, bis das viele Wasser wieder draußen ist – von nassen Polstern, Schlafsäcken etc ganz zu schweigen.

Mit Thies ging’s von dort nach Trysunda, zuerst bei strammem Südwind, dann in der Abendflaute durch die alte See, und weiter bei plötzlich einsetzendem, böigem Ostnordost 6 unter heftigen Regenschauern durch die stockdunkle Nacht. Die kleine, unbefeuerte Bucht im Dustern anzusteuern ist nicht gerade spaßig – Höga Küsten zeichnet sich, wie der Name schon sagt, durch seine schroffe, hohe, felsige Steilküste aus, die als schwarzer Schemen höher und höher vor einem emporwächst und sich bei Herannahen durch das Tösen der sich auf Legerwall an ihr brechenden Wellen ankündigt. Nur der Mondschein wird von den meterhoch aufschlagenden, weißen Schaumkronen reflektiert, so er es denn mal durch die dicke Wolkendecke schafft, und lässt einen so die gefährlichen Unterwasserfelsen erahnen…

Aber der Ort entschädigt für alles. Trysunda ist eine Perle. Und Kenneth hat uns gleich mit seinem alten, hölzernen Fischerboot „abgeholt“ und uns längsseits bis vor seinen Bootsschuppen geschleppt, Kaffee gekocht und Geschichten erzählt – von seinen Kindern, seinen Eltern und seinem Nachbarn. Letzterer, Hans „Chibba“, kommt am Nachmittag mit einer großen Ladung Fisch und wirft den Räucherofen an – kiloweise Lachsfilet und 46 Sill wandern in den Rauch, und kurz bevor wir weiterwollen bekommen wir drei kleine, noch nicht ganz durchgegarte Fische an Bord geliefert. „You have to eat them today!“, sagt er nur.
Gegen Abend erreichen wir nach einem wunderschönen Segeltag Mjältön, die höchste Insel Schwedens, essen königlich und gehen früh ins Bett, um am nächsten Morgen die Disziplin zu wechseln: Bergsteigen ist angesagt. 236 Meter plus x – es ist Tradition, dass jeder Segler einen Stein vom Strand mit auf den Berg nimmt und dort auf einen großen Haufen stapelt. Die Aussicht von dort oben ist atemberaubend: hunderte kleiner Inseln soweit das Auge reicht – aber eben nicht flach und grau wie letztes Jahr in den Aland-Inseln, sondern hoch aufragend, mit schroffen Felsen in rot, schwarz, grau und braun und mit grünsten Hochebenen im Innern, durchzogen von kleinen Seen und Gebirgsbächen und Birkenwäldern. Wahnsinn.

Abends schlagen, sägen und hacken wir Holz und genießen eine tolle Holzofensauna, schwimmen im 13 Grad kalten Wasser, vernichten die letzten finnischen Bierreserven und sind einfach nur glücklich.

Auf Mjältön treffen wir Boris Ersson mit seiner Masen, einen bekannten schwedischen Filmemacher. Er lädt uns ein, ihn und Anders Aberg, einen Künstler-Architekten, in Häggvik zu besuchen. Dort baut Anders mit seiner Frau seit Dekaden an seinem Lebenswerk „Mannaminne“. Doch das ist mal wieder so eine Geschichte, für die ich mehr Zeit brauche… Kommt noch.

Gestern früh um 5.12 Uhr ging Thies Zug nach Stockholm – aus Härnösand, gute 25 Meilen südlich von Mannaminne. Und weil es dort so spannend war sind wir natürlich viel zu lange geblieben und erst gegen Abend bei angesagten 7-8 aus Süd aufgebrochen. Neun Stunden doppelt gerefft gegen brechende See und kalten Regen, mal wieder mit viel zu viel Wasser im Schiff (Thies, danke für’s viele Pumpen!) und zu wenig Zeitpuffer, um beizudrehen oder abzulaufen – aber wir hatten irre viel Spaß. Tadorna ist trotz ihrer lockeren Kielbolzen, dem defekten Oberwant und den müden Verbänden einfach ein tolles Schiff. Und in solchen Situationen wächst mein Vertrauen in sie und meine Liebe zu ihr ins schier Unermessliche. Ich segele auf 7 Metern 64 unbeirrbarer Zuverlässigkeit.

Von hier aus soll es jetzt in großen Schritten in Richtung Alands und Stockholm gehen – zusammen mit Jan und Ulf, der schon letztes Jahr dabei war. Wir sind jetzt also zu dritt an Bord – die Nacht war kuschelig ;-)

Bis die Tage,

Bastian & Tadorna